Manuelle Therapie

Dieses Bild hat ein leeres alt-Attribut; sein Dateiname ist preview_COLOURBOX5217799.jpg.

Die manuelle Therapie dient in der Medizin der Behandlung von Funktionsstörungen des Bewegungsapparats (Gelenke, Muskeln und Nerven). Sie ist der von Physiotherapeuten mit einer speziellen Weiterbildung durchgeführte Teil der Manuellen Medizin (aus Anlage zum Vertrag gemäß §125 SGB V über die Versorgung mit physiotherapeutischen Leistungen) und beinhaltet Untersuchung und Behandlungstechniken. In alternativmedizinischen Behandlungsformen wird darüber hinaus auch die Behandlung von vielfältigen Beschwerden anderer Körperregionen und von generalisierten Befindungsstörungen als manuelle Therapie verstanden. Von der ärztlichen Manuellen Medizin unterscheidet sie sich darin, dass sie in Deutschland keine ruckartigen Techniken, sog. Techniken mit Impuls (Manipulation) an der Wirbelsäule, anwenden darf, eine klare gesetzliche Regelung fehlt aber.

Geschichte

Im klassischen Altertum wurden Rückenschmerzen mit bestimmten Griff- und Massagetechniken behandelt. Hippokrates beschrieb neben den traumatischen Ausrenkungen auch leichte Wirbelverschiebungen und gab an, wie diese zurechtzurücken seien. Im Mittelalter waren zahllose Laienbehandler („Knocheneinrenker“, „Gliedersetzer“) unterwegs, um die von den konkurrierenden Ärzten vernachlässigten Schmerzen zu behandeln. An präparierten Skeletten hatte man die Vorstellung von Verrenkungen und Verklemmungen vor allem der Wirbelgelenke entwickelt, die von der heutigen Medizin nicht bestätigt werden konnte.

In den USA war das so genannte bonesetting seit dem 18. Jahrhundert sehr verbreitet. Seit dem 19. Jahrhundert wurde es in verschiedenen Spielarten und unter zahlreichen Bezeichnungen auch in Europa wieder eingeführt, zunächst von Heilpraktikern, seit dem Zweiten Weltkrieg auch zunehmend von orthopädisch oder hausärztlich tätigen Ärzten. Die schulmedizinische pathophysiologische Theorie richtet sich anstelle auf die Knochen-„Verrenkungen“ vorwiegend auf muskuläre Verspannungen und Dysbalancen, die von Fehlbelastungen ausgelöst werden. Die Biomechanik muss die unterschiedliche Form der Gelenke und die komplexen Ansatzpunkte und Ausrichtungen der Muskulatur berücksichtigen, was eingehende anatomische Kenntnisse voraussetzt.

Im 20. Jahrhundert entwickelten alternativmedizinische Manualtherapeuten den Anspruch, außer den einfachen belastungsbedingten Schmerzen im Bewegungsapparat auch andere Krankheiten und Befindungsstörungen zu beeinflussen. Dazu werden – ähnlich wie bei der Akupunktur – nervale, reflektorische oder „energetische“ Verbindungen der Knochen und Gelenke mit dem übrigen Körper postuliert, deren Existenz allerdings nicht belegt werden konnte. Neben Magen-Darm-Beschwerden sind vor allem psychische Beschwerden, Angstneurosen, Depressionen und Entwicklungsstörungen ein häufiges Ziel manualtherapeutischer Interventionen. Das KISS-Syndrom (kopfgelenkinduzierte Symmetriestörungen von Kindern) ist ein Beispiel für eine häufige alternativmedizinische Diagnose, die durch manuelle Therapie behandelt wird, aber in der wissenschaftlichen Medizin keine Entsprechung hat.

Hauptrichtung

Chirotherapie/Manuelle Medizin ist in Deutschland seit 1976 eine geschützte Zusatzbezeichnung für Ärzte, die manuelle Behandlungen anbieten. Die in der evidenzbasierten Medizin anerkannten Verfahren basieren auf passiver Mobilisation und aktiven Übungen an Gelenken und der Wirbelsäule und verzichten auf esoterische Krankheitsvorstellungen, etwa Meridiane oder „Energieströme“. Zum Führen der Zusatzbezeichnung ist für Ärzte eine von der zuständigen Landesärztekammer anerkannte Ausbildung nachzuweisen. Unter Manuelle Therapie im engeren Sinne versteht man die Anwendung der von den Chirotherapeuten entwickelten Techniken durch speziell fortgebildete Physiotherapeuten/Krankengymnasten. Deutsche Krankenkassen bezahlen diese Therapie im Gegensatz zu den von Nichtärzten angebotenen Behandlungen, sofern sie von entsprechend ausgebildeten Manualtherapeuten auf ärztliche Verordnung durchgeführt wird.

In Deutschland ist die manuelle Therapie eine geschützte physiotherapeutische Behandlungsform, die mittels einer Heilmittelverordnung durch den behandelnden Arzt nach vorheriger Diagnosestellung verordnet werden kann. Die Menge der verordneten Therapien richtet sich nach der Diagnose und dem bundeseinheitlichen Heilmittelkatalog von 2004, der die Behandlungsmenge festsetzt. Die Ausbildung zum Manualtherapeuten umfasst eine mindestens 260-stündige Fortbildung, die in den meisten zugelassenen Fortbildungseinrichtungen weit über diese Mindeststundenzahl hinausgeht. In der Regel umfasst diese ca. 400 Stunden mit einer zusätzlichen Abschlussprüfung. Diese Zusatzqualifikation berechtigt den Physiotherapeuten/Masseur zur Abrechnung der Heilmittelposition Manuelle Therapie. Seit Mitte der 2000er Jahre gibt es in Deutschland für fertig ausgebildeten Physiotherapeuten die Möglichkeit die Qualifikation Orthopädische Manuelle Therapie (OMT) zu erwerben. Diese auf die normale manualtherapeutische Ausbildung aufbauende Zusatzqualifikation wird in Deutschland von der Deutschen Föderativen Arbeitsgemeinschaft für Manuelle Therapie[1] angeboten. Dem Dachverband DFAMT gehören vier OMT-Schulen, die in Deutschland Therapeuten ausbilden und zertifizieren, an. International wird diese Ausbildung von der International Federation of Manipulative Physiotherapists (IFOMPT) standardisiert. Zu den nationalen Schulen zählen die DVMT[2], die AGMT[3], die DFOMT[4] und die DGOMT.[5] Diese Ausbildung umfasst eine mindestens 660-stündige Ausbildung, die in der Regel weit mehr als 1000 Stunden umfasst. Seit dem Wintersemester 2013 wird sie zusätzlich an der FH Osnabrück als Masterstudiengang sowie ab Wintersemester 2014 auch an der Hochschule Fresenius Idstein angeboten. Der Abschluss erfolgt als Master of Science.

  • Chiropraktik (oder -praxis, englisch chiropractic) (von griechisch mit der Hand gemacht) stammt von dem US-amerikanischen Alternativmediziner Daniel David Palmer, ca. 1897: „Verrenkte“ Wirbel werden durch Druck und Zug gerichtet, dazu kommen Entspannungs- und Dehnübungen der Arme und Beine. Chiropraktik soll nach Ansicht ihrer Vertreter eine Weiterentwicklung darstellen, indem außer der Wirbelsäule auch die übrigen Gelenke behandelt werden. In der heutigen Zeit sind die erbitterten Rivalitäten der Osteopathen und Chiropraktiker des 19. und frühen 20. Jahrhunderts kaum noch nachzuvollziehen.